Tinder. Kinder.
- Fräulein
- 8. Aug. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Tinder. Das Ebay Kleinanzeigen der Sexualpartner.
Und während die Kinder schliefen, ich allein in meiner mit Schokolade befleckten Schlafanzughose auf dem Sofa saß und ziellos durch Netflix zappte, lud ich mir die Tinder App auf mein Handy.
Das Bedürfnis sich mit einer erwachsenen , bestenfalls noch männlichen Person auszutauschen die ebenso gelangweilt und in sicherer Distanz auf dem Sofa saß wie ich , war groß genug um mir ein relativ ausführliches Profil anzulegen.
Ich suchte auf meinem Handy nach brauchbaren Bildern die mich in einem guten aber dennoch realistischen Licht darstellten. Die Wahl viel auf ein zehn Jahre altes, überschminkten Fotoshooting Bild und ein Seitenprofil Foto mit gesenkten Blick auf dem ich eine meiner Töchter weg schnitt. Zu viel Wahrheit muss dann auch nicht sein.
Nachdem der erste Schritt abgearbeitet war, ging es an das Profil Statement. Jenes welches nun über die Richtung meiner Profil Entwicklung entscheiden würde.
Gab ich an Mutter zu sein, konnte ich sicher sein das sich neben, vermeintlich heißen Single Vätern auch Männer melden würden bei denen der Zug im Grunde schon abgefahren war, die noch bei Mutti lebten oder hässlich wie die Nacht waren. Es würden sich Männer melden die ohne offensichtlichen Kinderbestand sich niemals bei mir melden würden. Scheinbar glauben Männer das man im zweiten Frühling mit Anfang 30 weniger wählerisch sei. Klar verschieben sich die Prinzipien, Prioritäten und Vorstellungen mit Kindern aber heißt das doch noch lange nicht das man nach der Geburt das Licht aus macht.
Vielleicht aber auch nur vielleicht würde es den ein oder anderen Mann geben der sich vom Kinderbestand nicht beeinflussen ließe. Den ein weiteres Plus wollte ich nicht. Zu groß war die Angst vor Patchwork.
Ließe ich allerdings die Mutti Schulblade weg konnte ich sicher sein ungefilterte Kontakte zu geschwemmt zu bekommen von denen sich 85% nach den ersten drei Sätzen verabschieden würden.
„Hi wie geht’s?“
„Gut und dir?“
„Gut ,was machst du?“
„Ich bring meine Kinder grade ins Bett.“
An dieser Stelle kann man sich jetzt auch das monotone Piepen einer erlegten Sinus Welle vorstellen.
Verschwendete Zeit.
Also entschied ich mich für den kurzen und knappen Satz „Ich bin Mutter.“
Kein großes drum herum und kein peinlicher Werbesatz für meiner Selbst.
Es konnte nun also los gehen, dass effektive wischen von links nach rechts. Menschenverachtender ging es kaum. Ich beurteilte die vermeintlich große Liebe meines Lebens innerhalb eines Bruchteil einer Sekunde. Tiefenpsychologisch ziemlich logisch. Ist es doch der erste Eindruck, der uns Menschen kategorisieren lässt. Doch fehlen am Handy wichtige Sinneseindrücke die uns unsere Entscheidungen beständig treffen lassen. Mimik, Gestik, Geruch, Körpersprache. All das fehlte nun und dennoch sollte ich hier jemanden herausfinden dessen Pheromone ich wohlmöglich gut riechen könnte.
Ich verabschiedete mich also schnell von dem Gedanken auf Tinder jemanden finden zu können der ernsthaft in mein Leben passen sollte. Belassen wir es also bei guten Gesprächen.
Aber wie beginnt man ein gutes Gespräch mit einem Menschen der sich hinter einem weiß-rosa Bildschirm verbirgt. So ganz ohne Stimmklang. Die Männer auf meinem Handy Display hatten in meinem Kopf alle meine Stimme, wie Romanfiguren deren Charakter nur oberflächlich beschrieben wurden.
Hinzu kam die wahnsinnige Überreizung durch die vielen Matches, ich trat quasi innerhalb einer Stunde mit knapp 40 Männern in den Erstkontakt.
Aber ich nutze auch die Chance mit Menschen zu sprechen die ich so niemals kennen gelernt hätte. Kennen gelernt. Kann man das so sagen ?
Kannte ich überhaupt einen von denen ?
Zum damaligen Zeitpunkt tat ich das nicht.
Aber zum derzeitigen. Es klappt vermutlich doch.
Dieses Dating , auf dem Sofa, Chips-Fett verschmiert und ihm Schlafanzug mit Knoblauchfahne.
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