Mein Ausstieg aus der Still-Mafia
- Fräulein
- 15. März 2018
- 8 Min. Lesezeit
Als das Häschen 2016 zur Welt kam war ich vom Stillen ganz verzaubert. Gab es doch nichts innigeres als mit meinem Baby Körper an Körper im Bett zu liegen. Dieses kleine Wesen, zart saugend , genießend ins Milchkoma fallend. Es war wunderschön. Ja, stillen das war unser Ding.
Ich war so stolz auf uns und neigte beinah schon dazu mit unserer Stillbeziehung anzugeben.
Wenn ich andere Mütter reden hörte das sie nicht stillen könnten , rollte ich innerlich mit den Augen. Jeder kann stillen, urteilte ich blind und überheblich.
Natürlich sind wir Frauen anatomisch alle dazu ausgelegt stillen zu können und ja die Argumentation , dass es früher auch keine Pre Nahrung gab und die Frauen stillen mussten, stimmt natürlich auch. Allerdings starben früher auch wesentlich mehr Kinder. Geht man ein ganzes Stück zurück in der Zeit dann stellt man fest das es viele Kinder nicht einmal auf die Welt geschafft haben. Die natürliche Auslese. Kinder die dennoch geboren wurden und deren Mütter nicht stillen konnten wurden von Ammen ernährt.
Heute ist so was kaum noch vorstellbar und wenn so ein seltener Fall mal eintritt, dass eine Frau als Amme fungiert dann schafft sie es damit gleich ins Nachmittagsprogramm.
Doch darüber machte ich mir damals keine Gedanken. Für mich war das Stillen meines Kindes das Nonplusultra und alle anderen verurteilte ich insgeheim.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Flaschen - Mamis entschuldigen. Steinigt mich, ich habe es verdient !
Ein Jahr wollte ich mindestens stillen , vielleicht sogar länger. Ich war so absolut überzeugt vom Langzeitstillen und musste es jedem auf die Nase binden den es einen Scheiß interessierte.
Ich trug meine Still-Arroganz vor mir her bis zu jenem Tag.
Häschen war acht Monate alt als meine Milch weniger wurde. So wenig ,das Häschen nicht mehr ausreichend zunahm. Die Kinderärztin riet mir zur Zufütterung aber ich sträubte mich und versuchte es zunächst weiter. Aber es wurde immer schwieriger und als Häschen im Gewicht stagnierte, kapitulierte ich und gab ihr die Flasche. Wir taten uns damit beider sehr schwer. Häschen sträubte sich gegen die Flasche und jede Mahlzeit wurde zum Kampf unter Tränen. Es brach mir das Herz. Ich fühlte mich von Arzt und Hebamme verraten und verkauft. Man hatte uns das schönste genommen, unser Stillen. Diese besondere Magie war weg und sie würde so nie wieder kommen.
Ich schämte mich , hatte das Gefühl versagt zu haben und traute mich nicht die Flasche in der Öffentlichkeit zu geben. Was denken dann bitte die anderen Mütter über mich ?
Kam ich mit jemanden währenddessen ins Gespräch dann betonte ich das wir das doch erst seit kurzem machen würden, diese Sache mit der Flasche. Ungefragt rechtfertigte ich mich vor jedem warum ich den nicht mehr stillen würde.
Nach drei Monaten stellte ich dann auch endlich fest warum meine Milch immer weniger wurde. Ich war erneut schwanger und hatte somit einen wunderschönen Grund für mein , damals meines Erachtens nach , Versagen.
Ich klammerte mich an den Gedanken bald das nächste Baby stillen zu können und nahm mir vor es dieses Mal länger zu schaffen und am besten das Häschen gleich mit zu versorgen ob über die Brust oder abgepumpt über die Flasche. Da war sie nun wieder die Vorfreude und mit ihr die Still-Arroganz.
Wer aber meinen Geburtsbericht gelesen hat weiß das die Geburt des Äffchens alles andere als romantisch war. Die brutale Angst die ich damals durchlebte wirkte sich massiv auf meine Muttergefühle aus und somit auch auf meine Geduld die beim Stillen eine große Rolle spielt.
Aber auch nach überwundener Wochenbettdepression nahm die Euphorie beim innigen Füttern nicht zu.
Ist da doch ein kleines Mädchen , welches ständig und rund um die Uhr meine Aufmerksamkeit einfordert. Am Tage haben das Äffchen und ich nie die Zeit und die Ruhe beim Stillen die Häschen und ich hatten. Es fehlt einfach die Zeit zum kuscheln, zum gemütlich hinsetzten und zum genießen.
Die Zeit steht nicht still wenn ich sie anlege und was noch viel schlimmer ist, die Eifersucht packt das Häschen und ich habe das Gefühl beiden Kindern nicht gerecht werden zu können.
Nachts habe ich noch nie gerne gestillt. Doch beim Häschen dauerte es damals nicht lange und wir hatten es im liegen sprichwörtlich im Schlaf drauf. Ich schlief oben ohne nah ans Häschen gekuschelt und sie rollte sich immer an mich ran und saugte wenn ihr danach war. Meistens wurde ich dabei nicht einmal wach.
Ja und genau diese Routine von damals war nun mein Problem. Es fiel mir schwer zu akzeptieren das neben mir nun ein anderes Baby liegt. Ein anderer Mensch mit anderen Bedürfnissen, anderen Schwierigkeiten und anderen Talenten.
Ich erwartete vom Äffchen das sie das Saugen im Schlaf , neben mir liegend genau so gut hinbekommen würde wie ihre Schwester ein knappes Jahr zuvor. Es war unfair von mir aber ich wurde ungeduldig, unruhig und innerlich aggressiv. Der Schlafmangel tat sein Rest.
Das Thema Stillen war für mich gegessen , ich wollte das Handtuch werfen. Scheiß auf die Magie, scheiß auf das innige Gefühl. Da war keine Innigkeit und erst recht keine Verbundenheit. Ich fühlte mich meinem Kind nicht nah beim Stillen. Es nervte mich ,dieses ständige Saugen immer dann wenn ich keine Zeit dafür hatte und dann teilweise über Stunden hinweg. Dieses ständige umspeicheln meiner Brustwarze machte mich wütend auf das kleine Lebewesen das doch nur meine Nähe suchte um sein Überleben zu sichern. Der kleine Mensch der so hilflos auf mich angewiesen ist, nervte mich und machte mich aggressiv. Ebbte die Wut ab, wurde sie von Schuldgefühlen abgelöst.
Diese ständige Rotation zwischen dem Alltag, Häschens Bedürfnissen, Äffchens Bedürfnissen und diesem ständig , ewigen Stillen. Und dann klappte es nicht einmal reibungslos und zog sich unnötig in die Länge. Wo blieb da Raum für mich ? Wo war mein kleiner Funke Unabhängigkeit ? Und damit meine ich nicht einen lustigen , kinderlosen Ausflug, sondern die Freiheit in Ruhe aufs Klo gehen zu können, mit Häschen entspannt am Tisch sitzen zu können und etwas zu essen, länger als zwei Stunden am Stück schlafen zu können. Man muss dazu sagen, dass ich zum einen nicht viel beim Pumpen raus bekomme und das ich keinen Partner habe der mich zeitweise entlastet. 95% aller Aufgaben bleiben an mir hängen. Der Vater meiner Kinder hält sich mit allem etwas zurück. Fängt das Äffchen an zu weinen, so ist er der erste der am lautesten nach meinen Brüsten ruft. Für ihn gilt eine ganz einfache Formel. Babys die schreien müssen an die Brust damit sie still sind und wenn Mama nicht sofort mit nackter Brust an geflitzt kommt setzt sich seine schlechte Laune über uns wie eine Lawine hinweg. In solchen Momenten setzt mich sein genervtes Genörgel noch mehr unter Druck als das vermeintlich hungrige Geschrei meiner Tochter. Also arbeite ich alle vor mir liegenden Aufgaben im Akkord ab wenn er sie auf dem Arm hat , bevor mein kleines Äffchen zu schreien ansetzt. Leben am Limit.
In der Nacht war es dann primär das Häschen, welches mich unter Druck setzte.
Äffchen ist nicht die talentierte beim Saugen an der Brust und macht ihrer Frustration lautstark Luft, ganz egal ob ihre große Schwester dabei geweckt wird oder nicht. Und das ist dann das eigentliche Problem. Wird der Chef in der Nacht geweckt dann ist eben diese für uns alle gelaufen. Also versuche ich dem entgegen zu wirken und lasse das Dauernuckeln an meiner nun schon wunden Brustwarze zu. Immer gelingt es mir nicht und so haben wir auch schon Nächte hinter uns in denen beide sich gegenseitig hoch schaukeln. In solchen Nächten sitze ich schon mal heulend im Hausflur, meine Kinder sind sicher in ihren Betten geparkt und ich laufe raus um den Wäschekorb vor Wut, Müdigkeit und Verzweiflung gegen die Wand zu schmeißen oder mit einer Rolle Küchenpapier auf den Esstisch einzuschlagen. Ja es gibt sie diese Momente, in denen ich mein Kind ablege und den Raum verlasse um es nicht zu schütteln. Diese Grenze darf niemals überschritten werden also mache ich meiner Hilflosigkeit Luft in dem ich in einem geschlossenen Raum ausraste bis ich mich wieder stark genug fühle um mich von zwei Seiten , mitten in der Nacht anschreien zu lassen.
Würde eine Flasche mit Pre Nahrung etwas ändern ?
Vielleicht. Vielleicht würde das Äffchen dann mal etwas länger als ein bis zwei Stunden am Stück schlafen. Vielleicht würde es meine Brustwarze entlasten. Vielleicht würde es dazu beitragen das auch der Vater einmal sein Kind selbstständig und unabhängig von mir Füttert. Vielleicht wäre ich entspannter weil ich kein schreiendes Kind versuche anzulegen das mich mit der Hektik an der Brust überfordert.
Ja ich weiß , man muss dann Nachts aufstehen, die Flasche machen, die Flasche putzen , Nahrung kaufen usw. Aber zwei , drei Stunden Dauernuckeln an einer wunden Brust ist auch nicht so geil. Also was tun ?
Ich versuchte mit meiner Hebamme über das Thema zufüttern zu reden aber es gab keine Chance. Sie war ein Mitglied der berühmt berüchtigten Still-Mafia. Also suchte ich Rat bei Freunden. Jedes mal wenn ich versuchte dieses Thema an zuschneiden fühlte ich mich als würde ich versuchen ein illegales Ding zu drehen. Immer darauf gefasst von meinem Gegenüber eins auf den Deckel zu bekommen. Ein verbotenes Thema und somit ein ganz heißes Eisen. Ich bekam viele gut gemeinte Ratschläge von Müttern die ihre Kinder stillten und keine davon wollte mir etwas böses doch konnte keine von denen meine Situation so wirklich nachvollziehen den hatten sie doch alle nur ein Kind und wenn sie mehrere hatten dann in größeren Abständen oder einfach einen Partner der ihnen zur Seite stand.
Ausführlich wurde ich von allen Seiten über Saugirritationen und Störung der Stillbeziehung aufgeklärt. Sie meinten es alle gut. Sie wollten alle helfen aber ehrlich gesagt glaube ich nicht das man uns helfen konnte es sei denn eine von ihnen würde ein Mittel gegen Müdigkeit und Überforderung erfinden.
Ich sprach mit meiner Mutter darüber. Mama kennt meine tiefsten , Emotionalen-Abgründe und konnte sich gut vorstellen wie zerrissen ich innerlich war, wie zerrissen ich immer noch bin.
Sie riet mir dazu es einfach einmal auszuprobieren. Äffchen einmal eine Flasche zu geben um zu sehen wie wir darauf reagieren.
Ich ging also in die Drogerie und holte Pre Nahrung. Die teuerste, in der Hoffnung ihr damit nicht den Weg in einer erfülltes Leben zu verbauen.
Dann , am Abend, tat ich es. Ich gab meiner fünf Wochen alten Tochter eine Flasche Pre Nahrung und es war die fucking beste Nacht seit ihrer Geburt. Ja liebe Still-Mafia, zerstecht meine Autoreifen, bespuckt mich auf der Straße, meldet mich beim Jugendamt. Ich habe meine Tochter industrielle Milch gegeben und ich habe es genossen !
Aber ich kann euch beruhigen, wir stillen noch immer. Ohne Saugverwirrung und ohne Störung der Stillbeziehung. Sie hat auch noch alle Gliedmaßen und ihr Augenlicht nicht verloren. Aber manchmal wenn ich nicht mehr kann, wenn ich das Gefühl habe gleich platzen zu müssen, wenn meine Brüste um Hilfe schreien dann gebe ich ihr zur Nacht eine Flasche und nehme den Vorsprung von vier Stunden Schlaf dankend entgegen um sie dann in der Nacht wieder zu stillen. Den was bringe ich meinen Töchtern wenn ich nicht funktionieren kann, was bringt dem Äffchen das Stillen wenn ich auf dem Zahnfleisch gehe. Ich liebe meine Kinder und ich will das beste für sie. Auch wenn das bedeutet ab und zu schwach werden zu müssen damit wir etwas zur Ruhe kommen können. Bis zum sechsten Monat werde ich mich weiterhin Tag für Tag durch das Stillen kämpfen. Ich werde es versuchen, mein bestes Geben und hoffen das wir dieses Ziel erreichen aber es gibt nach wie vor Tage und Nächte an denen ich weine und mir sage das ich nicht mehr kann, das ich nicht mehr will und die Nase voll habe. Und dann greifen wir zur Flasche um uns zu erholen.
Hallo. Der Satz, dass mit 8 Monaten nicht mehr genug Milch da war, bei Haeschen, verwirrt mich etwas, zumal normalerweise bereits Beikost gegeben wird und sich fehlende Kalorien ueber sie geholt werden. Und nur, weil das Baby mal nicht nach Tabelle zunimmt, waere das kein Grund gleich Formula zu fuettern. Auch die Schwangerschaft ist keine Erklaerung, besonders bei einem 8 Mo. alten Erstgeborenen, der sich ja nicht mehr komplett ueber Mumi ernaehrt. Dass Du erst sagtest, wie schoen das Stillen war und dann als STILLMAFIA betitelst, finde ich auch befremdend. Dass 2 kleine Kinder hintereinander anstrengend sind, verstehe ich. Habe ich selber mitgemacht und liegt im Irrglauben, dass es Wurst ist, wann das naechste Baby kommt. Die Planung, dass es…